Donnerstag, 4. Oktober 2018

Geschichten aus Namibia: Voortrekker

"Geschichten aus Namibia" wird eine neue Rubrik, in der ich bewegende, lustige und unvergessliche Erlebnisse der letzten Jahre festhalte.


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06. Juni 2018 – Der Tag, an dem ich vollends mein Herz verlor.

In dieser Nacht schliefen wir nicht allzu gut. Noch immer plagt uns das Gefühl, heute abreisen zu wollen und nicht noch eine Nacht hier zu verbringen.

Bei unserer Ankunft gestern auf der White Lady Lodge wurden wir bitter enttäuscht. So sehr freute ich mich im Vorfeld auf die berühmten Wüstenelefanten, für diese die Lodge bekannt ist, aber leider wurden sie seit Monaten nicht mehr hier gesehen. Auch wenn es wilde Tiere sind, so konnte ich meine Enttäuschung einfach nicht begraben und bin seitdem zum ersten Mal in diesem Urlaub so richtig geknickt.

Wir möchten das Frühstück abwarten und dann entscheiden, ob wir heute abreisen oder nicht. Draußen ist es sehr frisch, die 37 Grad von gestern wirken gerade nahezu surreal. Dennoch erfrischt diese Morgenluft ungemein und ich gehe in mich. Kann nicht einfach ein kleines Wunder geschehen und die Elefanten spazieren jetzt genau hier über den Platz, wie man es von vielen Fotos und Berichten kennt? Aber wer glaubt schon an Wunder? Es noch so still um uns herum und selbst die Grillen haben ihr Zirpen eingestellt. Alles wirkt so friedlich und genau diese Stille lieben wir so sehr. Kein Verkehr, kein stressiges Hin und Her und kein hektischer Lärm. Europa hat die Uhr erfunden – Afrika die Zeit.

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen und im Dunkeln machen wir uns auf den Weg zum spärlichen Frühstück. Jayden, einer der Kellner, begrüßt uns mit seinem ansteckenden Lächeln. Wir sollten uns während des Frühstücks entscheiden, ob wir den geplanten Elephant-Drive als einen Nature Drive wahrnehmen möchten. Jayden bekräftigt uns in der Entscheidung und so willigen wir ein, nachdem er für uns die spontane Umbuchung für die kommende Nacht erledigt hat.

Langsam geht die Sonne auf und hüllt den berühmten Brandberg in ein feuerrotes Kleid. Dieses Bergmassiv macht seinem Namen alle Ehre. Man spürt, wie es mit jedem Sonnenstrahl wärmer wird und jetzt freuen wir uns auch darauf, mehr von dieser tollen Landschaft zu sehen.

Neben uns wartet noch ein Herr aus England, der uns urplötzlich fragt, ob wir auch wegen der Elefanten hier sind. Wir schauen uns verdutzt an. Klar sind wir das, aber sie sind ja leider momentan nicht hier. Er erklärt, dass sie angeblich 30 bis 40 Kilometer entfernt seien und wir sie nun suchen würden.
Ich weiß nicht mehr, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, aber ist es wirklich an der Zeit, doch noch an Wunder zu glauben?

Unser Guide Helmuth fährt mit einem alten Landi vor, der stolze 450.000 km auf dem Tacho hat. Da ich noch immer skeptisch bin, frage ich nun ihn, was es mit den Elefanten auf sich hat. Er erklärt uns, dass dies ein Special Drive wird und wir versuchen werden, die Elefanten zu finden, die sich momentan in Richtung Khorixas aufhalten. „Maybe we’ll find them“. Ich finde mein Lachen wieder und strahle nun mit der augehenden Sonne um die Wette.

Wir durchqueren das trockene Rivier des Ugab Rivers und müssen zunächst etwas Strecke gutmachen. Immer wieder vorbei an kleinen Häuschen, deren Bewohner sich so gut es geht gegen die Elefanten rüsten, die hier Jahr für Jahr einiges zerstören. Es geht weiter durch ein paar Tore, die immer wieder geöffnet und geschlossen werden müssen, obwohl der angrenzende Zaun komplett zerstört ist – That’s Africa!

 

Die Landschaft hier wirkt sehr karg und es wächst kein Gras. Kein Wunder, dass wir bis auf einen Strauß, einen Schakal zwei Springböcke kein Wild entdecken. Diese Gegend besitzt ohnehin keine große Wilddichte. Die Sträucher und Bäume hingegen erstrahlen in einem satten Grün – die optimale Nahrung für die Elefanten!

Es vergeht eine gute Stunde, bis wir an einer Wasserstelle die ersten Elefantenspuren finden. Ein einsamer Bulle hat hier vor etwa zwei Tagen getrunken erklärt uns Helmuth. Auch wenn der Bulle seitdem schon dutzende Kilometer weitergewandert sein wird, sind unsere Augen nun vollends im Späher-Modus. An einer weiteren Wasserstelle finden wir Spuren, die erst wenige Stunden alt sind, was die Situation immer spannender macht. Helmuth erntet von uns wahnsinnige Bewunderung dafür, wie er die Spuren im Auge behält und ihnen folgt. Ich frage mich nur, wie man vom Weg aus in diesem unglaublich riesigen Gebiet einen einzelnen Elefanten suchen will. Schnell werde ich eines Besseren belehrt, indem es nun Off-Road geht. Helmuth lässt die Spur nicht aus den Augen und wir halten das ein oder andere Mal die Luft an, als es über Felsen und Hackibusch geht. Der alte Landi rüttelt uns ordentlich durch, aber alle Anstrengung bringt nichts – die Spur verliert sich in dicht bebuschtem Gebiet, wo für uns kein Durchkommen mehr ist.

Schade, aber das ist die wahre Natur. Ohne Zäune, ohne Grenzen. Wo die Tiere dorthin ziehen können, wo ihr Instinkt sie hinführt. Es ist sehr schade, dass es nur noch wenige solcher Gebiete auf der Welt gibt.

Wir lassen Helmuth nicht aus den Augen und sind uns sicher, dass er weitersucht. Hat er etwa eine neue Spur entdeckt? Als er sich sicher ist, steigen wir aus und er erklärt uns eindrucksvoll, dies seien die Spuren einer ganzen Herde, die heute Morgen hier entlang gekommen sein muss. Er zeigt uns einen Ruheplatz eines jungen Elefanten und untersucht den hinterlassenen Dung. Dieser ist noch etwas feucht, definitiv erst wenige Stunden alt! Die unterschiedlich großen Spuren sind noch gut erhalten und es ist noch kein Tier oder Insekt durchgelaufen. Auch das deutet auf frische Spuren hin. Er beeindruckt uns sehr mit seinem Wissen und wie er die Natur liest. Die Suche geht weiter und die Spannung ist kaum auszuhalten. Petra und ich verlieren die Spuren immer wieder aus den Augen, aber Helmuths Blick klebt fest daran. Er ist so konzentriert, dass wir uns in einem kleinen sandigen Flußbett schließlich festfahren.

Als der Landi sich nach einigen Versuchen immer noch nicht bewegt, sehen wir schwarz. Allerdings ist Helmuth nicht nur ein exzellenter Guide, sondern auch ein geübter Fahrer und so befreit er uns mit aller Kraft, die der Landi zu bieten hat aus der Misere. Weiter geht die Suche.


Wir sind jetzt weit über zwei Stunden unterwegs und erreichen schließlich eine Stelle, an der ein ganzes Elefantenmeeting stattgefunden haben muss! Rundherum sind unzählige Spuren und es fühlt sich unheimlich stark an, zu wissen, dass hier Stunden zuvor so viele Wüstenelefanten Rast hielten. Helmuth fährt mit uns auf eine Anhöhe und steigt aufs Dach, um eine gute Rundumsicht zu haben. Auch wir spähen durch unsere Ferngläser und suchen die weite Ebene vor uns ab. Nichts. Helmuth scheint jeden einzelnen Busch abzusuchen, aber auch er wird nicht fündig. Einzig ein paar relativ frische Fresspuren können wir entdecken. Aufgrund der vorangeschrittenen Zeit verabschieden wir uns langsam von dem Gedanken, diese wunderbaren Tiere heute noch zu finden. Allerdings sind wir uns einig, dass dieses Erlebnis trotzdem unvergessen bleibt.

 

Helmuth setzt unseren Weg fort und scheint gar nicht daran zu denken, jetzt aufzugeben. Wir durchqueren die Buschebene und gelangen schließlich zu einer weiteren Anhöhe, von der aus wir noch weiter schauen können. Dort findet sich eine Felsformation, die wir hochklettern und ich erkenne weit weg zwei Autos im Busch. Noch bevor ich oben angelangt bin, ertönt von Helmuth ein lautes und freudiges „Elephants!!!!!!“. Zack, springen wir wieder ins Auto und müssen uns nun einen Weg dorthin suchen, da es vor uns nur felsig bergab geht. Er erklärt uns auf dem Umweg, dass es sich bei den Fahrzeugen um die Organisation EHRA (Elephant Humen Relations Aid) handelt, die sich für den Schutz der Wüstenelefanten einsetzt und versucht, den Mensch-Tier-Konflikt im Auge zu behalten.

Unsere Aufregung steigt mit jedem Meter, den wir uns nähern und nach fast drei Stunden intensiver Suche finden wir uns inmitten einer Herde von 14 Wüstenelefanten wieder. Die Tiere kennen Helmuth und den Landi und so können wir sie entspannt beobachten, während sie fressen und Meter für Meter weiterziehen. Irgendwann sind wir von der Herde eingekesselt und keiner macht einen Mucks. Die Anwesenheit dieser erhabenen Tiere verbreitet Zufriedenheit. Dass diese wilden Tiere uns in ihrer unmittelbaren Nähe dulden, danken wir ihnen sehr.

 



Helmuth reißt mich aus meiner Schwärmerei heraus als er erklärt, dass sich dort drüben in einem Pulk von einigen Tieren ein stattlicher Bulle versteckt. Er wäre sehr stark und hätte einen abgebrochenen Stoßzahn. Augenblicklich merke ich, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildet und mein Herz einen Moment lang aussetzt. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich kann es kaum aussprechen. „Voortrekker?“, frage ich geistesgegenwärtig. „Yes, himself!“, antwortet Helmuth. Damit ist es um mich geschehen.

Niemals hätte ich mir erträumen lassen, den berühmten Sir Voortrekker einmal wahrhaftig zu treffen. Er ist der älteste und berühmteste Bulle hier, wobei niemand sein wahres Alter kennt, allerdings ist er weit über 50 Jahre alt. Viele Male habe ich ihn im Internet bewundert und in den letzten Monaten wurde er nicht mehr gesehen. Vor genau einer Woche meldete sich EHRA mit einem kurzen Clip, der zeigte, wie er in Richtung Brandberg unterwegs war – mit einem abgebrochenen Stoßzahn.


Ich kann mich kaum beruhigen und wische mir hastig die Tränen fort. Voortrekker lässt sich viel Zeit, bis er hinter den anderen hervorkommt und sich uns zeigt. Ein Blick in sein mir bekanntes Gesicht reicht, um mich vollends zu verlieben. Er strahlt eine solche Anmut aus, obwohl er so ein starker Koloss ist. Wir sind umgeben von 14 wundervollen Elefanten, aber ich habe einzig Augen für ihn. So muss sich Liebe auf den ersten Blick anfühlen.

Als er sich uns nähert und in voller Pracht präsentiert, können wir nur staunen. Stolz wandert er an uns vorbei und Petra hält diesen Moment zum Glück auf Video fest. Ich dagegen kann mich kaum auf ordentliche Fotos konzentrieren. Das Privileg zu haben, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, kann man in diesem Moment kaum beschreiben. Auch wie es in mir drin aussieht oder was mir durch den Kopf geht, vermag ich mich nicht mehr zu erinnern. Viele Emotionen treffen aufeinander, vor allem aber unglaubliche Dankbarkeit.

 

 


Wir folgen der Herde weiter bis zu ihrer momentanen Wasserstelle, wo sich zwischen den Felsen tatsächlich noch Regenwasser befindet. Ein letztes Mal beobachten wir diese wunderbaren Tiere und müssen uns langsam losreißen. Ich verabschiede mich in Gedanken von Voortrekker. Möge man ihn und alle anderen Wüstenelefanten mit aller Macht beschützen.


Auf dem Rückweg zur Lodge bietet sich uns ein wunderschöner Anblick vieler kleiner gelb blühenden Blumen, die sich über eine weite Landschaft erstrecken. Noch immer sind wir unheimlich dankbar und als mein Blick weiter in die Ferne schweift, kommt es mir schlagartig in den Sinn. „Mama, überleg mal, welches Datum wir heute haben….“. Wir schauen uns an und nun vergießt auch Petra einige Tränen. Heute vor zwei Jahren ist ein geliebter Mensch von uns gegangen, der dieser Begegnung erst recht einen Sinn verleiht. Wir sind uns sicher, da muss jemand mitgeholfen haben an diesem wundervollen Vormittag. Danke Opa!


Nach etwa fünf Stunden kehren wir zur Lodge zurück und reisen an diesem Tag nicht mehr ab. Es gilt nun, das Erlebte zu verarbeiten und Runterzukommen. Jayden empfängt uns und wir strahlen um die Wette. Wir erzählen ihm und allen anderen von unserer Begegnung und man spürt, wie sich alle freuen, dass die Elefanten langsam zurückkehren.

An diesem Abend singt die ganze Belegschaft der Lodge wieder fröhlich für uns und in meinem Kopf kreisen die Bilder von Voortrekker. Genau dieser Moment, dieser Tag, trägt dazu bei, mein Herz immer mehr an dieses Land zu verlieren und Erinnerungen zu sammeln, die mich mein Leben lang begleiten werden.

Es wird immer Tage geben, an denen man denkt, alles geht schief. In solchen Momenten schließe ich die Augen, rufe mir genau diese Erinnerungen in den Sinn und träume von einem Land, das mich nicht mehr loslässt – Namibia.

Dienstag, 11. September 2018

Geschichten aus Namibia: Eine Kämpferin!

Eine bestimmte Situation unserer letzten Etosha Tour im Juni 2018 lässt uns so schnell nicht vergessen, wie grausam die Natur sein kann. 

Am Vortag durften wie bei Rietfontein zwei Löwenmänner in den Büschen an einem Riss beobachten und hofften nun, sie an diesem Nachmittag wieder dort anzutreffen. Tatsächlich hatten wir Glück und sie waren samt ihrer Beute noch an Ort und Stelle. Viele Schakale wuselten herum und wir konnten jetzt deutlich erkennen, dass es sich im einen Zebra-Riss handelte. Immer wieder wechselten die beiden Paschas ihre Fressposition und zeigten sich kurz für ein Foto.

Nach einiger Zeit erhob sich neben ihnen eine Löwin, die langsam Richtung Wasser trottete. "Du meine Güte", dachten wir uns, "die muss mächtig vollgefressen sein!". Sie bewegte sich in der Tat sehr langsam und hatte nicht den typischen Anmut für eine starke, gesunde Löwin. Selbst mit vollgefressenem Bauch müsste sie beweglicher sein. Als sie fast das Wasserloch erreicht hatte, flüchteten dutzende Zebras auf der gegenüberliegenden Seite mit großer Ehrfurcht. Verständlich, Löwen sind nun mal ihre größten Feinde.







Als die Löwin allerdings nach rechts abdrehte, mussten wir feststellen, dass es für die Zebras absolut keinen Grund zur Panik gab. Die Arme war furchtbar entstellt und würde wahrscheinlich in ihrem Leben kein Tier mehr jagen können. Ihr Anblick stimmte uns auf der Stelle traurig. Die Vermutung lag nahe, dass dies das Werk von Hyänen gewesen sein könnte, die ihre Gegner meist von hinten attackieren. In diesem Moment wünschten wir ihr viel Kraft und dass sie sich nicht mehr lange quälen muss.


 


Ein intaktes Löwenrudel hätte sie vermutlich verstoßen, aber hier waren nur die beiden Paschas ihre Begleitung, was auf eine sehr merkwürdige und außergewöhnliche Konstellation deutete. 

Am nächsten Morgen machten wir uns wieder auf den Weg nach Rietfontein und waren gespannt, was uns dort an diesem kalten Morgen erwarten würde. Eine einzelne Hyäne verschwand gerade in die Büsche als wir ankamen, aber von den Löwen war zunächst keine Spur. Einzig zwei Schakale löschten ihren Durst.

Einige Zeit verging, bis sich plötzlich etwas im Gras bewegte. Es war die Löwin von gestern! Und sie hat die Nacht überstanden! Was für eine Kämpferin. Man sah ihr an, dass sie noch immer unheimliche Schmerzen durchleiden muss. Auch wenn wir großes Mitleid mit ihr hatten, war uns bewusst, das dies der Kreis des Lebens ist und zur Natur gehört. 


 





Ihre Begleiter entdeckten wir kurz darauf und wunderten uns wirklich, dass sie noch bei ihr blieben. Die Konstellation der drei wurde nunmehr noch merkwürdiger, denn die beiden Paschas sahen nicht unbedingt aus wie Brüder oder als wären sie im selben Alter. Es kann natürlich auch sein, dass der stärkere der beiden viel mehr Testosteron produzierte und daher eine stärkere und dunklere Mähne aufweisen konnte.







Als die beiden Paschas sich langsam in die Büsche verzogen und die Löwin wieder flach im Gras lag, rissen wir uns los und fuhren weiter. Aber nicht ohne der tapferen Löwin noch einmal zu gedenken. 


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Fast drei Monate sind seit dieser Begegnung nun vergangen und ich konnte eine wunderbare Entdeckung im Social Media Bereich machen! She did it! Sie lebt! Tatsächlich wurde ich auf diesen Post der Userin tinelorentz aufmerksam:




Ich kommentierte den Post und erhielt prompt die Nachricht, dass dieses Bild im Juli an einem Wasserloch entstand. Leider konnte sie sich nicht mehr an den Namen des Wasserlochs erinnern, allerdings sei diese Löwin in Begleitung zweier Paschas gewesen, von denen einer deutlich stärker war als der andere! Diese Antwort machte mich so glücklich! Wir hätten nie gedacht, dass die Löwin diese Verletzungen übersteht. Ich bekam weitere Bilder, auf denen meiner Meinung nach zu sehen ist, dass sie wohl an ihrem rechten Hinterbein genäht wurde, wo vorher noch ein großes Loch klaffte. 


 


Sie hat ihre zweite Chance und die gönne ich ihr von Herzen! Ich bin mir zwar unsicher, ob sie jemals wieder richtig jagen kann, da bestimmt der Muskel verletzt wurde, aber mit ihren beiden Männern dürfte sie gut über die Runden kommen! Ich drücke ihr die Daumen!

Donnerstag, 26. April 2018

Geparden streicheln in Namibia

Normalerweise dürfte ich mich zu diesem Thema gar nicht kritisch äußern, aber da mein Blog mittlerweile eine schöne kleine Reichweite hat, möchte ich ein wenig aufklären.

Erklärung vorab:
Gesetzlich ist es in Namibia seit Jahren verboten, in Kontakt mit Wildtieren zu treten, was logischerweise das Streicheln von Geparden miteinschließt. Die Farm Otjitotongwe bei Kamanjab, also in der Nachbarschaft von Robyn, die wir vier Jahre lang jedes Jahr besuchten, hält neben Wildfängen, die aller Wahrscheinlichkeit halber sonst von Farmern abgeknallt worden wären, aktuell drei zahme weibliche Geparden. Bei unserem ersten Besuch 2014 dort haben wir uns noch keine großen Gedanken über Hintergründe etc. gemacht, es war einfach nur die pure Begeisterung für diese Tiere. Die Begeisterung ebbte nicht ab, allerdings hinterfragte ich das Ganze bei den nächsten Besuchen etwas und mir wurde erklärt, dass die Geparden Handaufzuchten sind, die in der Natur nicht überlebt hätten. Zwei von ihnen sind schon Seniorinnen und haben angeborene Hüft- bzw. Augenprobleme. Man merkt, dass die Farmer ihre Tiere lieben und absolut nichts unter Zwang geschieht, sie kommen sogar von selbst auf die Leute zu und setzen sich neben sie. Nach dem Streicheln gibt es Futter und man darf sich ihnen nicht mehr nähern.



Geparden sind in Namibia unter Farmern und Nutztierhaltern nicht sehr beliebt, da sie, wenn sie die Wahl haben, natürlich lieber Kälber, Ziegen oder Schafe reißen, die nun mal nicht annähernd so schnell sind wie Springböcke oder Impalas und damit eine besonders leichte Beute darstellen. Sie sind zwar streng geschützt, werden aber dennoch vermehrt Opfer im Mensch-Tier-Konflikt. Daher gibt es große Schutzprojekte, wie beispielsweise CCF (Cheetah-Conservation-Fund) oder AfriCat, die gegen diese Problematik ankämpfen, Aufklärungsarbeit leisten und aktiv Tiere umsiedeln oder neu auswildern. Die Farm, welche wir jedes Jahr besucht haben, betreibt diese Arbeit nicht, aber benutzt die Tiere nicht aus Profit-Gier. Informationen zu Herkunft und Vorgeschichten zu deren Halbwilden Geparden konnte ich aufgrund des Zeitmangels und anderer Anwesender leider nie bekommen.




Kritisch möchte ich mich deshalb äußern, weil die Gesetzeslage beispielsweise im benachbarten Südafrika (und anderen afrikanischen Ländern) ganz anders aussieht und dort immer noch unzählige Raubkatzen zum Kuscheln herhalten müssen, um im Erwachsenenalter bei kontrollierter Gatterjagd (Canned Hunting) von „Trophäen-Jägern“ abgeknallt zu werden.
Es fängt damit an, dass „Volontäre“ helfen, angeblich verwaiste oder verstoßene Löwenbabys groß zu ziehen, im Endeffekt aber dafür bezahlen, diese „Arbeit“ machen zu können. Touristen bezahlen für ein Foto und Knuddeln mit Löwenbabys viel Geld. Sobald die Löwen ein paar Monate alt sind, werden sogenannte „Lion Walks“ angeboten, wo Touristen gegen Bezahlung mit ihnen spazieren gehen können. Im ausgewachsenen Alter werden sie für die Jagd angeboten, die unter den niedrigsten Umständen stattfindet, die man sich nur vorstellen kann. Die Tiere werden in einen eingezäunten Bereich gebracht, manchmal sogar irgendwo festgebunden, oft noch sediert und warten darauf, von einem Wesen, das ihnen noch nicht mal fremd ist, kaltblütig ermordet zu werden, um danach tot mit diesem Abschaum zu posieren, der sich stolz damit brüstet, den König der Tiere erlegt zu haben. Gefragt sind natürlich majestätisch aussehende Mähnenlöwen, die normalerweise ihre üppige und dunkle Mähne in der Natur durch Fortpflanzung und ein hohes Testosteron bekommen. Dann wird in diesem Fall eben mit Hormonen nachgeholfen.  
Auf das Thema Jagd in Namibia bin ich in einem früheren Post schon einmal eingegangen: KLICK!

Ich möchte die Geparden-Farm keinesfalls mit so etwas vergleichen, allerdings auf die Problematik hinweisen, dass solche Aktionen in anderen Ländern einen ganz anderen Hintergrund haben. Es gibt auf der ganzen Welt genug Touristen„attraktionen“, die großes Tierleid mit sich bringen, nur um ein Bild mit einem außergewöhnlichen Tier zu schießen. Sieht man solche angebotenen Aktivitäten, sollte man immer erst den gesunden Menschenverstand einschalten, denn das Beste, was man dagegen unternehmen kann, ist es zu unterlassen und publik zu machen. Darunter zählen nicht nur die angesprochenen Fotoaktionen mit angeleinten Tigern, seltenen Affen auf der Schulter, einem Faultier im Arm…. nein, dazu zählen auch Aktivitäten wie Elefanten-Reiten und Delfin-Schwimmen, was leider noch immer viele große Reise-Anbieter in ihren Programmen führen.

Ich bin absoluter Gegner von jeglicher Gefangenschaft von Tieren zum Zwecke der „Unterhaltung“ und habe mich sogar dieses Jahr gegen einen Besuch auf unserer bekannten Geparden-Farm entschieden. Diese Farm war bisher für mich die einzige Ausnahme von Einrichtungen, die ich boykottiere und ich kann und möchte zumindest über den Umgang mit den Geparden dort auch bis heute nichts Schlechtes sagen. Allerdings möchte ich auch niemanden mehr ermuntern, dies zu besuchen, da es mangels Informationen wirklich mehr einer Touristen-Attraktion ähnelt als guter Aufklärungsarbeit.

Trotzdem, egal ob Gästefarm oder Schutzprojekt – diese Tiere sind Botschafter für ihre wilden Verwandten, um auf den immer mehr anwachsenden Mensch-Tier-Konflikt aufmerksam zu machen. Für die Natur zählt keine Arterhaltung in Gefangenschaft, sondern die Tiere, die in ihrem natürlichen Lebensraum leben und zum Ökosystem der Natur beitragen.